kohle ist knapp

die welt erzählt dir jeden morgen dieselbe predigt:
kohle ist knapp –
dieselbe leier wie vom pfarrer mit dem schlechten atem,
den niemand mehr ernst nimmt

und dann
lachst du,
weil du siehst, wie all die diplomierten luftpumpen
weiter ihre gehälter kassieren,
als wäre nichts gewesen —
sie sitzen auf sesseln,
nicht weil sie etwas können,
sondern weil sie schon saßen,
als der rest draußen im regen stand

du schaust dir das an
und fängst an,
an dir selbst zu zweifeln:
nicht effizient genug,
nicht hübsch genug,
nicht devot genug,
nicht billig genug,
nicht glatt genug,
falsches auto,
falsches gesicht,
falsche art zu atmen

die antwort ist einfach
und brutal:
du hast nichts falsch gemacht —
außer vielleicht
dass du dachtest,
es gäbe so etwas wie
leistung oder gerechtigkeit
in einem system,
das von den exakt falschen leuten
verwaltet wird

wer bleibt, wird bezahlt
wer fragt, verliert
wer sich beugt, gewinnt
wer denkt, ist schon verdächtig

und ja —
da fühlt man sich verarscht
weil man verarscht wird
keine metaphysik,
kein karma,
kein geheimer plan
— bloß die nackte mechanik
einer welt,
die lieber mittelmaß belohnt
als rückgrat

also heb das glas
auf die falschen leute
am richtigen platz
und auf die richtigen leute
am falschen platz
— und trink,
bis es dir egal ist
oder bis du kalt genug wirst,
um wieder mit ihnen
im selben raum zu sitzen
ohne zu kotzen